Samstag, 25. Januar 2014

Thermodynamik für Babies Teil 2 - BabyScience

Bevor es los geht muss ich sagen, dass ich beim letzten Beitrag ein Problem mit den Einheiten hatte. Es muss für Temperaturen natürlich heißen K und nicht °K. °K ist Blödsinn und ich möchte mich für die Verwirrung entschuldigen.

Wie beim letzten Mal schon gesagt, möchte ich hier wieder Methoden vorstellen ein Fläschchen zu erwärmen und versuchen der Thermodynamik dahinter ein wenig auf die Spur zu kommen. Für die technischen Anforderungen hatte ich beim letzten Mal folgendes definiert:

  • Wenn keine Muttermilch verwendet wird sollte man die Milch mit Pulver anrühren und keine Kuhmilch verwenden.
  • Das Wasser dazu sollte vorher abgekocht worden sein.
  • Von vielen Milchpulverherstellern wird empfohlen, das Wasser mit dem Milchpulver zu vermischen, wenn das Wasser noch heiß ist.
  • Die ideale Trinktemperatur beträgt 40-50°C (ca. 318K).

Es kommt heute eine neue Größe hinzu: die Zeit. Daher möchte ich noch eine weitere technische Anforderung drauf packen:


  • Das ganze soll nicht länger als 5min dauern.

Schließlich hat das Baby ja Hunger und ist vermutlich am Schreien während die Milch zubereitet wird. Um das Wohl des Babies (und der eigenen Ohren) sicherzustellen begrenze ich die Zeit. Mal sehen ob ich das schaffe:

2. Methode Fläschchen zu kochen: Erhitzen, mischen und abkühlen an der Luft

Dies ist glaube ich die einfachste Methode. Man erhitzt das Wasser in einem Wasserkocher, rührt die Milch in einer Flasche an und lässt die Mischung dann an der Luft auskühlen. Mal schauen wie lange das dauert:
Die Gesetze der Thermodynamik sagen, dass Wärme stets vom heißeren Stoff zum kälterem Stoff fließt. Dies war auch beim letzten Mal so als ich das Wasser mit der hohen Temperatur mit dem mit der kalten Temperatur vermischt habe. Da floss die Wärme der heißen (energiereicheren) Wassermoleküle zu den Molekülen die kälter waren, bis alles im Gleichgewicht war und die Mischung überall die gleiche Temperatur hatte. Weil das Wasser mit den verschiedenen Temperaturen in direktem Kontakt war spricht man hier von einem offenen System.
Was ich hier jetzt vorhabe ist jedoch kein offenes System. Zwischen der angerührten Milch und der Luft, an die die Wärme entweichen soll ist die Wand der Flasche. Hier wird von einem geschlossenen System gesprochen. Das heißt, dass das Wasser im Fläschchen bleibt und sich daher nicht mit der Luft vermischen kann, aber die Energie als Wärme aus dem System austreten kann.
Wichtig für die Berechnung des ganzen sind die Eigenschaften der Systemgrenze - also der Wand der Flasche. Die Fläschchen die ich bisher verwendet habe bestehen alle aus Polypropylen, dies scheint zusammen mit Polyamid ein Standard für Kunststofffläschchen zu sein [1].

Wie lange dauert das?:

Die Geometrie des Fläschchens Modelliert schaut so aus:
Damit ich mir die Arbeit erspare den Schnuller zu zeichnen habe ich das Fläschchen einfach einem Bruch in der Darstellung unterzogen [2]. Aus Kontrastgründen ist die Milch lila dargestellt. Im richtigen Leben sollte lila Milch zum Wohle des Kindes nicht mehr verwendet werden.
Die Grundgleichung für die benötigte Zeit ist diese:
Q ist hier die Wärme die vom Fläschchen an die Umgebung abgegeben werden muss und QPunkt der Wärmestrom.

Die Wärmemenge die abgeführt werden muss ergibt sich aus:
c ist die spezifische Wärmekapazität von Wasser. Die ist abhängig von der Wassertemperatur. Ich gehe hier vom Wert bei 373K (100°C) aus.* m ist die Masse der angerührten Milch also rund 150g ~ 0,15kg. deltaT ist der Temperatur unterschied. Da es hier um eine Temperaturdifferenz, und nicht um ein Temperaturverhältnis, geht, könnte man auch mit der Celsiusskala rechnen (1° Unterschied bei Celsius und Kelvin sind gleich, aber nicht bei Fahrenheit) aber das macht ja keinen Spaß und Kelvin hört sich wissenschaftlich gesehen auch viel besser an.

Der Wärmestrom wird hiermit berechnet:

k ist ein Wert, der den Wärmeübergang regelt und Abhängig ist von dem Stoffzustand an der Fläschchenwand und dem Wärmeleitwert der Fläschchenwand:
α1 berücksichtigt den Stoffzustand in der Flasche und beträgt hier für ruhendes Wasser 581,5 W/m²K. s ist die Wandstärke ca. 4mm. λ ist der Wärmeleitwert der Wand. Die Fläschchen sind in de Regel aus Polypropylen, welches einen Wärmeleitwert von 0,22W/Km hat. α2 wiederum berücksichtigt den Stoffzustand außerhalb der Flasche, also wo die Wärme hin soll. Hier ist der Wert für ruhende Luft ca. 9,3 W/m²K *. Ergibt:


A ist die Oberfläche über die die Wärme abgeführt wird. Ich möchte nur die Wärme berücksichtigen die über die Wände abgegeben wird nicht jedoch die Wärme die die Milch nach oben in das Fläschchen abgibt. *Also ist meine Oberfläche die eines nach oben offenen Zylinders.


Mein Fläschchen ist 60mm im durchmesser und die Milch steht ca. 60mm hoch.



Alles eingesetzt schaut dann so aus:

Fast schon vergessen, ich wollte ja wissen, wie lange das dauert:
Eingesetzt:

Ohne Zutun dauert das ganze also ungefähr 2,25 Stunden. Manch einem werden die Sterne im Text aufgefallen sein:
* an den mit Sternen markierten Stellen habe ich Annahmen getroffen, die das Ergebnis ungenau machen. Das ist alles nur halb so schlimm, wenn man weiß, was mit dem Ergebnis passiert. Die 2,25 Stunden sind ein maximaler Wert, den das Abkühlen allerhöchstens theoretisch dauern würde. Die Wahrheit liegt wohl zwar darunter, wird aber immer noch recht lange sein.

Fazit:
Diese Methode hat der neuen Anforderungen, dass das Ganze nicht länger als 5 Minuten dauern darf, nicht Stand gehalten. Die Zeit liegt deutlich darüber.

Nochmal was Anderes ausprobieren:

3. Methode Fläschchen zu kochen: Erhitzen, mischen und abkühlen im Wasserbad

Im Prinzip passiert hier das Gleiche wie bei der zweiten Methode, nur dass sich hier der k-Wert und die Temperaturdifferenz ändert.
Weil nun an beiden Seiten der Wand Wasser ist, wird α1=α2=581,5 W/m²K. Der k-Wert wird dadurch zu 46,25 W/m²K.
Das Wasser zum abkühlen kommt frisch aus der Leitung und hat ca. 293K (10°C).

Das alles eingesetzt in die oben aufgeführte Rechnung ergibt dann eine Zeit von 23 Minuten. Das ist zwar eine deutliche Verbesserung, aber immer noch nicht geeignet.

Aber man kann den k-Wert ja nochmal anpassen:

4. Methode Fläschchen zu kochen: Erhitzen, mischen und abkühlen unter fließendem Wasser

Der α1 bleibt gleich, aber der α2 wird zu 1744,5 W/m²K. Die Zahlen nochmal durch den Rechenweg gejagt kommt am Ende eine Zeit von 22 Minuten. Eher enttäuschend...

Egal wie man die Milch im Fläschchen abkühlt, in der richtigen Zeit will es nicht so wirklich gelingen. Aber es gibt ja noch andere Methoden die Fläschchen auf Temperatur zu bringen.

Neugierig bleiben!

Mittwoch, 15. Januar 2014

Thermodynamik für Babies Teil 1 - BabyScience

Das Jahr 2012 war sehr aufregend für mich. Nicht nur, dass die Raumsonde Voyager 1 laut verschiedenster Presseberichte das Sonnensystem, gleich mehrfach verlassen hat [1] oder Red Bull die Vereinigten Staaten von Amerika als Betreiber des besten Weltraumprogramms abgelöst hat ([2][3]). Nein. Das Wichtigste für mich im Jahr 2012 war, dass mein Sohn geboren wurde.

Man erlebt danach so einiges und stellt sich so manchen Herausforderungen. Eine kleine Herausforderung, die mich aber dennoch sehr nachdenklich gemacht hat, ist:
Wie bekomme ich diese verflixte Milchflasche möglichst schnell auf Trinktemperatur?

Das Problem mit der Trinktemperatur

Wenn man länger etwas von seinem Familienzuwachs haben möchte, wird man als frische Eltern mit Empfehlungen grade zu überhäuft, was man alles tun sollte und was nicht. Hier ein kurzer Überblick betreffend der Milchflasche - nur um mal ein paar Anforderungen an unser technisches Problem klar zu stellen:

  • Wenn keine Muttermilch verwendet wird sollte man die Milch mit Pulver anrühren und keine Kuhmilch verwenden
  • Das Wasser dazu sollte vorher abgekocht worden sein
  • Von vielen Milchpulverherstellern wird empfohlen, das Wasser mit dem Milchpulver zu vermischen, wenn das Wasser noch heiß ist.
  • Die ideale Trinktemperatur beträgt 40-50°C (ca. 308°K)

1. Methode Fläschchen zu kochen: Heißes Wasser mit kaltem mischen

Das Pulver wird mit dem Anteil heißen Wassers gemischt und anschließend noch mit dem Anteil kalten Wasser vermischt, um die richtige Temperatur zu erhalten. Man muss nur das richtige Mischverhältnis im Auge behalten. Was würde man brauchen, um 150ml Milch bei 308°K (45°C) herzustellen?
Also einfach das heiße Wasser mit dem kalten mischen - aber so einfach ist das dann auch nicht, denn das Pulver muss ja noch dazu. Die meisten Milchpulversorten werden pro 3g Pulver mit 30ml Wasser vermischt, also benötigen wir für unser 150ml Fläschchen 15g Pulver. Das Wasser aus dem Wasserhahn hat ungefähr eine Temperatur von 283°K (10°C) und das gekochte Wasser fast 373°K (100°). Macht diese Werte:
Th = 373°K    -    Temperatur heißes Wasser
Tk = 283°K    -    Temperatur kaltes Wasser
TP = 293°K    -    Temperatur Milchpulver (Zimmertemperatur 20°C)
TM = 308°K   -    Temperatur Mischung
mP = 15g        -    Masse Milchpulver
mM = 165g     -    Masse Mischung (150ml Wasser + Milchpulver)

Was wir brauchen sind die heiße mh und kalte mWassermasse/-menge die gemischt werden soll um die Mischtemperatur zu erreichen. Zeit ein bißchen Spaß zu haben!

Quelle: xkcd.com


Die Grundgleichung ist eine Verhältnisgleichung:

Mit mh und mk haben wir gleich zwei unbekannte. So wird das nichts. Aber es gibt für die Massen ja noch eine Bedingung:

Das kann man in die Grundgleichung einsetzten:

Und nach mh umformen:

Jetzt noch ein paar Zahlen einsetzten und schauen was passiert:


Es muss also 44g ~ 44ml heißes Wasser gekocht werden. Der Rest ist kaltes Wasser:
 



Und wir haben sogar alle Anforderungen erfüllt! Mit den Anforderungen ist das ja manchmal so eine Sache, aber hier wird es keine aufgebrachten Mütter geben und auch die Milchpulverindustrie ist zufrieden.

Weil es so schön war, werde ich beim nächsten mal noch weitere Methoden für warme Fläschen auseinander nehmen. Bis dahin - 

Neugierig bleiben!

Montag, 6. Januar 2014

Standsicherheit im Sturm

Während diese Zeilen geschrieben werden, ist die Sturmsaison 2013/2014 über Europa im vollem Gange. Orkan Christian und Xaver haben zusammen bis zu geschätzten 1,7 Milliarden Euro Schaden angerichtet ([1][2]). Während der Weihnachtsfeiertage war Großbritanien hauptsächlich betroffen und auch im neuen Jahr geht es munter weiter.

In den Nachrichten sieht man während der Stürme regelmäßig LKWs auf den Autobahnen umkippen. Als Techniker muss man sich da schon mal fragen, was braucht es um so einen LKW um zu werfen? Welche Windgeschwindigkeit ist kritisch?

Was ist Standsicherheit?

Standsicherheit ist das Verhältnis des Momentes um die Kippkante, welches das Objekt stabil bleiben lässt (Standmoment Ms) zu dem Moment um die Kippkante, welches das Objekt umkippen möchte (Kippmoment (Mk).
Für unser Beispiel ist das Standmoment das Produkt aus der Gewichtskraft des LKWs und dem Abstand zur Kippkante. Das Kippmoment ist das Produkt aus der Kippkraft und deren Abstand zur Kippkante.
Die Standsicherheit wird so berechnet:


Nachdem wir das geklärt haben, wird es Zeit unser Beispiel zu modellieren:

Die Gewichtskraft von 78,5kN entspricht einer Gesamtmasse unseres LKWs von 8 metrischen Tonnen oder ein großer Elefant. Die meisten Modelle die in einem solchen Sturm von den Rädern geholt werden sind mit 8 Tonnen schon ordentlich beladen. Die Fläche entspricht in etwa dem Querschnitt von Fahrerhaus und Laderaum, der in der Regel ringsum von einer sehr windanfälligen Plane umgeben ist. SA ist der Flächenschwerpunkt in etwa 1,75m über dem Boden. Der Spurabstand ist in etwa 2,3m, was bei einem mittig angenommenen Schwerpunkt einem Hebelarm von 1,15m entspricht.

Ich möchte zunächst gerne wissen, bei welcher Belastung der LKW umkippt, also das kritische Kippmoment gleich dem Standmoment ist. Das Standmoment lässt sich berechnen aus:


Und dies entspricht dem Kippmoment mit dem der LKW anfängt zu kippen.

Viel spannender ist es jetzt zu wissen, welcher Windgeschwindigkeit das entspricht. Dazu kann man sich einer Formel bedienen, die ein Auszug aus den Bernoulli Gleichungen ist und in der Strömungslehre beheimatet sind. Diese Formel wird unter anderem auch dafür berechnet, um die Windlast an Gebäuden zu berechnen [3]. Man kann damit aber zum Beispiel auch den Druck im inneren eines ausbrechenden Vulkanes berechnen [4] Achtung! Englisch voraus!


Diese Formel arbeitet mit Druck. Der ergibt sich aus der Kippkraft berechnet aus dem Kippmoment:


Und der gegebenen Fläche:


Eingesetzt in die umgestellte (nach Geschwindigkeit v) Bernoulli Gleichung:


Dies entspricht einer Windgeschwindigkeit von 187km/h. Dies entsprich ungefähr der Geschwindigkeit eines Fallschirmspringers im freien Fall auf Grund des Luftwiderstandes und ist ein wenig zu schnell für die Geschwindigkeiten die beim Orkan Christian über Deutschland erzeugt worden sind [5].

Aber sind dann trotzdem LKWs auf Deutschlands Straßen umgeweht worden?

  • Ich habe mit einem LKW gerechnet, der relativ schwer beladen war. Dabei ist die Masse des LKWs in etwa 40-50% schwerer als bei einem unbeladenen LKW
  • Nicht berücksichtigt ist auch die Angriffsfläche der Räder
  • Während der Wind um den LKW zieht, ist es möglich, das unter dem LKW ein zusätzlicher Druck aufgebaut wird, der auch in die Richtung des Kippmomentes drückt
Schon wenn ich für die Rechnungen ein Gewicht von 4 Tonnen annehme komme ich letztendlich auf eine Windgeschwindigkeit von rund 133km/h was ziemlich genau den Werten während des Orkans entspricht.

Was kann man tun?

Je höher das Standmoment, umso höher ist die Standsicherheit und so auch die zulässige Windgeschwindigkeit. Das Standmoment ist abhängig von Gewicht und Spurabstand. Man könnte beide Werte erhöhen um die Standsicherheit zu erhöhen. Das ist jedoch in Deutschland auch nur begrenzt möglich ([6][7]) und führt beim Gewicht auch noch zu einem höheren Kraftstoffverbrauch.
Andererseits, je niedriger das Kippmoment, desto höher die Standsicherheit. Das Kippmoment ist abhängig von Windgeschwindigkeit, die man nicht beeinflussen kann, und der Angriffsfläche, die man kleiner oder windschnittiger gestalten könnte.

Man sollte also immer genug eingepackt haben, wenn man mit einem größeren Automobil unterwegs ist!

Willkommen beim SchlimmenTechniker. Ich hoffe es gefällt!